Bob Woodward

Bush at War
Amerika im Krieg

Sachbuch, 2001

Es ist, als würde Bob Woodward einen an die Konferenztische der Entscheidungsträger führen, hinsetzen und zuhören lassen – da sind sie alle: Präsident George W. Bush, Vizepräsident Dick Cheney, Außenminister Powell, Verteidigungsminister Rumsfeld, CIA-Direktor Tenet, all ihre Berater von Rice abwärts und Stellvertreter. Und man hört sie diskuttieren, fragen, antworten, behaupten und manchmal auch streiten.

Es geht um die Zeit zwischen dem 11. September 2001 und Anfang Februar 2002. Thema: Wie reagieren die USA auf die Terroranschläge? Wie führt man einen deklarierten Krieg gegen den (internationalen) Terrorismus? Wie können weitere Anschläge (gegen die USA) verhindert werden?

Das Buch basiert auf Interviews, Protokollen, Zeitungsberichten und -serien, Memos, persönlichen Aufzeichnungen usw. Eingeflochten sind auch Ausschnitte von offiziellen Erklärungen und Reden.

Allerdings begnügt sich Woodward damit, die Fakten zu sammeln und wiederzugeben, die Gespräche nachzuzeichnen. Er kommentiert sie nicht. Ihn interessiert das Zustandekommen von Entscheidungen und Ereignissen, die Motivation der Handelnden wie auch ihre Gefühle und ihren Charakter.

Woodward selbst stellt die Entscheidungen und Aussagen nicht in Frage, notiert auch keinen Gedanken, der nicht von den Akteuren gedacht worden wäre, und schon gar nicht kritisiert er irgendetwas. Auch das überlässt er – bestenfalls – anderen: den US-Medien – und die verhielten sich (damals) recht gleichgeschalten und der Regierung gegenüber unkritisch.

So wird Bushs Sager vom "Kreuzzug" zum "Fauxpas", der zurückgenommen werden musste. Das Echo im Ausland und die Auswirkungen interessieren offenbar niemanden.

Als Afghanistan bereits bombordiert und der Sturz der Taliban zumindest in Kauf genommen wurde, erklärte Rumsfeld Reportern:

»Ich glaube nicht, dass wir eine Verantwortung dafür haben herauszufinden, welche Art von Regierung das Land haben sollte«, sagte er und fügte hinzu, »ich kenne niemanden aus anderen Ländern, der klug genug wäre, anderen Ländern zu sagen, welche Art von Arrangement sie treffen sollten, sich selbst zu regieren.« — Woodward: Bush at War, S. 278f.

Alles, was Woodward dazu schreibt, ist:

Er wollte nicht, dass die Vereinigten Staaten sich zum Aufbau eines Staatswesens verpflichteten. — Woodward: Bush at War, S. 279

Zwar sind die Ziele der Militäraktion bald ausdiskuttiert, die Zukunft Afghanistans interessiert die US-Regierung hingegen erst sehr spät. Und die Entscheidung darüber scheint sich auch eher zu ergeben, nicht bewußt gesteuert. Sie ergibt sich aus den Versprechungen und den Bemühungen der US-Regierung, in Afghanistan Verbündete zu finden. (Meist werden sie aber durch Geldkoffer "gefunden".)

Ebenso unkritisch behandelt Woodward die Ausweitung der Befugnisse der CIA (z.B. gezielte Tötungen). Warum dies nicht schon von anderen Präsidenten bewilligt wurde oder welche Auswirkungen das (wie auch andere Erlässe) haben könnte, wird nicht behandelt.

George W. Bushs Motivation wird hingegen immer wieder thematisiert. Die wohl deutlichste Passage diesbezüglich findet sich auf Seite 426, wo es heißt:

»Ich werde die Chance ergreifen, Großes zu verwirklichen«, teilte mir Bush mit […]. »Es gibt nichts Größeres, als den Weltfrieden zu erreichen.«

Das letzte "Bild" entspricht ganz dem (neu)entflammten US-Patriotismus und seinem – für europäischen Geschmack die Kitsch-Grenze weit überschreitenden – Pathos: die feierliche Errichtung eines Grabmals in Afghanistan für die Opfer des Terroranschlags vom 11. September. Woodward zitiert »Einen der Anwesenden«:

»Wir weihen diesen Fleck als ewiges Denkmal den tapferen Amerikanern, die am 11. September gestorben sind, damit alle, die Amerika Schaden zufügen wollen, wissen, diese Nation wird nicht einfach dastehen und zusehen, wie der Terror siegt.
Wir werden Tod und Gewalt in alle vier Himmelsrichtungen tragen, um unser großes Land zu verteidigen.« — Woodward: Bush at War, S.442

Das Nachwort, das Woodward im Frühjahr 2003 verfasst hat und nun in den aktualisierten Buchausgaben abgedruckt ist, trägt den Titel Die lange Phase der Diplomatie – Der kurze Krieg und skizziert auf 6 Seiten den – offiziell beendeten – Irakkrieg. Freilich auch hier streng aus US-amerikanischer Sicht.

Trotzdem, oder vielmehr gerade auch wegen all der hier angeführten Kritikpunkte, mein Tipp: Dieses Buch muss man gelesen haben!

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2003 / 2014

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Cover Bush at War (dt.)

Deutschsprachige Ausgabe
Bob Woodward: Bush at War. Amerika im Krieg

 

Originalausgabe:
Bush at War (Paperback) - Common

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