Land der Töchter?
Die österreichische Bundeshymne und die Frauen

Österreich hat eine Frauenministerin. Das ist gut. Zumindest theoretisch. Es gäbe genug zu tun, um – vorallem in wirtschaftlicher Sicht – eine Gleichwertigkeit zu erreichen.

Ministerin Rauch-Kallat hat sich dieser Tage als Frauenminister in den medialen Vordergrund gespielt. Die Ursache: Der Text der österreichischen Bundeshymne. Denn dort ist stets nur von großen Söhnen die Rede, Töchter werden nicht besungen. Ein Manko, auf das bereits seit den 1980er-Jahren von Frauen aus der SPÖ, den Grünen und dem (einstigen) Liberalen Forum hingewiesen hatten. Bislang ignoriert, soll der Missstand nun behoben werden – indem man ein paar Verse "verweiblicht", sodass sich am Rhythmus der Hymne nichts oder zumindest fast nichts ändert (s.u.).

Die Hymne

Der Text der Bundeshymne ist freilich alles andere als ein dichterische Glanzleistung. Dass die Dichtern Paula von Preradovic damit einst (1946/1947) das Preisausschreiben der Bundesregierung gewonnen hat, sei ihr gegönnt. Mein Herz hängt nicht daran.

Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Heimat bist du großer Söhne, [soll ersetzt werden durch: Heimat großer Töchter, Söhne,]
Volk, begnadet für das Schöne,
viel gerühmtes Österreich!

Heiß umfehdet, wild umstritten,
liegst dem Erdteil du inmitten,
einem starken Herzen gleich.
Hast seit frühen Ahnentagen
hoher Sendung Last getragen,
viel geprüftes Österreich!

Mutig in die neuen Zeiten
frei und gläubig sieh uns schreiten,
arbeitsfroh und hoffnungsreich.
Einig lass in Brüderchören, [soll ersetzt werden durch: Einig lass in freud'gen Chören,]
Vaterland, dir Treue schwören, [soll ersetzt werden durch: Heimatland, dir Treue schwören,]
viel geliebtes Österreich!

Wie meinte gestern eine deutsche Nachrichtensprecherin treffend: »›Großer Töchter, Söhne‹? Ist das nicht wieder männlich? Töchtersöhne sind doch Enkel …?«

Auch die Melodie (der »Freimaurerkantate«) ist keinesfalls mitreißend. Angeblich stammt sie von Mozart. Aber ich vermute, die Noten wurden bestenfalls unter einem Fenster eines Mozart-Hauses gefunden – zerknüllt auf der Straße. Näher sind sie dem Genius Mozarts nie gekommen. Neidig lauschen wir ÖsterreicherInnen der fröhlichen Hymne Italiens, der mitreißenden Marseilles, der pathetischen amerikanischen Hymne, … Selbst exotisch anmutende Klänge wären mir lieber als das anödende Einerlei.

Wahre Probleme

Die neuesten Änderungsvorschläge für den Text der Bundeshymne – siehe diverse Online-Foren österreichischer Medien – und die Diskussionen an sich haben zum Teil großen Unterhaltungswert. Aber ich fürchte, hier wird einmal mehr ein Nebenschauplatz unverdient in den Mittelpunkt gerückt. Eigentlich müsste eine Frauenministerin ganz andere Sorgen haben, die sie innerhalb der Regierung und in der Öffentlichkeit thematisiert (und abarbeitet). Ein kleiner Denkanstoß gefällig? Bitte:

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29.9.2005

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