Catastrophical Correctness
und der Wille zur Veränderung

Darf man dieser Tage noch das Wort Welle laut aussprechen? Oder gar hohe Wogen? Flutwelle wohl nur noch in deutlich pathetischer Klangfarbe, mit tiefsitzenden Mundwinkeln und Worten des aufrichtigen Bedauerns für alle unmittelbar und mittelbar Betroffenen.

Werbespots, die eine stärkere Brandung zeigen, werden im Fernsehen genauso wenig gezeigt wie Spielfilme, die in irgendeinem Zusammenhang mit Südsee und/oder Schiffbruch, Wellen, Beben, Katastrophe, hohes Wasser, o.ä. stehen. Ebenso sind alle Lieder, die ebendiese Reizworte beinhalten, für alle Radiosender tabu. »Pack die Badehose ein – die Sintflut ist da …« werden wir nicht so schnell wieder zu hören bekommen.

Die Betroffenheit der Weltöffentlichkeit erreicht ungeahnte Ausmaße. Jedoch (leider) nicht aufgrund einer plötzlichen Sensibilisierung für Katastrophen in den ferneren Gebieten der Welt.

Hungerkatastrophen sind leider alltäglich geworden, allein die Brennpunkte wechseln mitunter. Ebenso haben sich die meisten von uns mit den Millionen AIDS-Infizierten, -Erkrankten und schließlich AIDS-Toten scheinbar abgefunden. Kaum jemand stößt sich am wahrlich nicht unbedeutenden Verbot des Vatikans, Kondome zu verwenden. Dass beispielsweise in Afrika ganze Generationen schwer betroffen sind – mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für die Wirtschaft und damit die Gesamtbevölkerung – wird in Europa kaum thematisiert oder auch nur wahrgenommen.

So erfreulich und mitunter ergreifend die Hilfsbereitschaft der Welt für die Opfer der Flutkatastrophe ist, so bedauerlich ist es, dass alle anderen größeren und "kleineren" Katastrophen den "Rest der Welt" nicht dazu bewegen können, über die eigenen, nationalen Tellerränder zu sehen und gemeinsam Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hunger, Armut, (Massen)Vergewaltigungen, Seuchen, Kriege, Vertreibungen, Kindersoldaten, Massaker, ökologische Verwüstungen, Minenfelder, religiöse Intoleranz und so weiter plagen und vergiften weite Teile der Welt.

Letztlich sitzen wir alle in einem Boot – die einen sitzen näher, die anderen weiter weg, doch alle in einem. Alles, was in diesem Boot passiert, hat früher oder später größere und kleinere Folgen – für alle von uns.

Vorbeugen ist sinnvoller und billiger. (Ein Frühwarnsystem verhindert zwar keine Flutwellen, rettet aber Menschenleben.) Damit wir uns nicht missverstehen: Geldspenden im Anlassfall sind großartig (insbesondere im Fall der Flutkatastrophe) und hilfreich. Die Welt tatsächlich positiv verändern, dazu braucht es politischen Willen. Hier muss die Gemeinschaft der Staaten tatsächlich soviel Willen zeigen, wie augenblicklich angesichts dieser Flutkatastrophe. Einen Willen zur Zusammenarbeit und einen Willen zur Vorbeugung. Die jährlichen Aufwendungen für Entwicklungshilfe* sind "nur" ein Mittel.

Dafür müssen die verantwortlichen PolitikerInnen müssen jedoch auch erkennen können, dass ihre Wähler Wert darauf legen. Nicht bloß im Anlassfall. Dass ihre Bürger/Wähler im Stande sind, die Welt als eine Welt wahrzunehmen, dass ihr Interesse an dieser Welt nicht an Staatsgrenzen und Urlaubsorte gekettet ist.

Ein erster Schritt – und da muss ich mich selbst an der Nase nehmen – ist, selbst, als Einzelne(r) auch im Trubel des Alltags ab und zu dem "Rest der Welt" etwas Aufmerksamkeit zu schenken und sich und seine Umwelt zu fragen: »Was kann ich (dagegen) tun? Was können wir tun? Was unternehmen unsere Mandatare?«

Und fragen wir das ruhig auch einmal diese Mandatare und Regierungen …

Österreich:

Deutschland:

Schweiz:

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*) Vor Jahren hat die UNO 0,7% des BIP als Ziel proklamiert, die EU will bis 2006 wenigstens auf einen Schnitt von 0,33% kommen ("Barcelona-Ziel" aus 2002). Auch Deutschland und Österreich – beide noch unter 0,3% – werden zulegen müssen.

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12.1.2004

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