Wannsee-Konferenz
Originaltitel: Conspiracy
Drama, USA/GB 2001. Regie: Frank Pierson
Handlung
Jänner 1942: Nazi-Deutschland herrscht über weite Teile Europas – von der französischen Atlantikküste bis in den hohen Norden Norwegens, von Griechenland zur Krim und bis tief in die Sowjetunion. Erst die Schlacht um Moskau hat die an rasche Erfolge gewohnten Truppen Hitlers stoppen können. Und mit der Kriegserklärung des Führers an die USA war der Krieg ebenerst global geworden.
Ein unmittelbar mit dem Krieg zusammenhängendes "Problem" hatten die Nationalsozialisten schon früher "erkannt": Im Zuge der militärischen Expansion waren seit Kriegsbeginn Millionen Juden – zum Teil erneut! – unter die Herrschaft des NS-Regimes gelangt. Dabei war – trotz Entrechtung, Enteigung, Verfolgung und erzwungener Aussiedlung – noch nichteinmal das Großdeutsche Reich "judenfrei".
Am 20. Jänner 1942 treffen 15 hochrangige Vertreter von SS, Partei, diversen Ministerien und Behörden, sowie Sicherheitsdienst und Sicherheitspolizei in einer prunkvollen Villa am Großen Wannsee zusammen. Thema der Konferenz: Die Endlösung der Judenfrage. Konferenzleiter ist SS-Obergruppenführer Heydrich, der seit 1939 mit der "Judenfrage" und seit Ende Juli 1941 mit allen Vorbereitungen für eine "angestrebte Endlösung der Judenfrage" betraut ist.
Heydrich: Wie werden wir mit der schwindelerregenden Zahl von Juden, die unser Land überschwemmen, fertig?
Rasch stellt sich heraus, wie unterschiedlich der Kenntnisstand der einzelnen Konferenzteilnehmer ist. Einige Schreibtischtäter scheinen erst jetzt zu begreifen, was die diversen Erlässe und Befehle, die auch durch ihre Hände gingen, bedeuten, als die "aktiveren" ungeschönt über Massenerschiessungen, Vergasungs-Tests u.ä. berichten.
Und Heyrich ist nicht gewillt, sich auf juristische Spitzfindigkeiten oder andere Bedenken einzulassen.
Es geht nicht um die Frage, was mit den Juden zu geschehen hat. Oder wie. Sondern nur noch um Details wie die Frage, wie die unterschiedlichen Behörden bei der Vernichtung der Juden effizient zusammenarbeiten.
Heydrich: Für ganz Europa […] gilt: Keine Juden. Keinen Einzigen. […] 60.000 [Tötungen] jeden Tag. Wir können das. Wir sind so weit.
Kritik
Kein Tropfen Blut, keine schockierenden Bilder, keine Action … die Brutalität dieses Films liegt allein in den Worten. Und wie! Mit Verachtung und Häme wird über die Juden geredet, von Massenexekutionen berichtet und begeistert die systematische Vernichtung von Millionen Menschen besprochen und geplant.
Brutal kann man aber auch den Umgang der Teilnehmer mit- und untereinander nennen: Bedenkenträgern wird kaum verhohlen gedroht, Einwände und Gegenargumente ins Lächerliche gezogen und abgetan.
Die meisten akzeptieren aber sehr schnell Heyrichs Führungsrolle und zeigen mit welcher Haltung man (im "Führerstaat") wohl am ehesten (weiter) Karriere macht(e): Enthusiastische Unterwürfigkeit gepaart mit pfauenhaften Betonung der eigenen Verdienste um Führer und Partei.
Die Dialoge sind eine Rekonstrution, basierend auf dem Protokoll, das Eichmann nach der Konferenz aus der stenographischen Mitschrift fertigen hat lassen und im Anschluss von Müller und Heydrich mehrfach überarbeitet worden war. (Von den 30 Exemplaren, die als Geheime Reichssache angefertigt worden waren, hat nur die Ausgabe für Luther den Krieg und die Aktenvernichtung überstanden.)
Zwar wurden für den Film dramaturgische Eingriffe vorgenommen – z.B. in der Person Kritzingers – und unbelegte Dialoge hinzugefügt, doch damit wurde aus einem (schockierenden) Beleg für die geplante Massenvernichtung ein lebendiges Drama, das auch jene, die sich mit dieser Epoche nicht auseinandergesetzt haben, verstehen.
Eine Geschichtsstunde der besonderen Art.
Ein Teilnehmer: Haben die [Juden] überhaupt eine Hölle?
Heydrich: Ja. Uns.
Besetzung:
Reinhard Hydrich | SS | … Kenneth Branagh | ||
Adolf Eichmann | SS | … Stanley Tucci | ||
Dr. Eberhard Schöngarth | SP/SD Generalgouvernement | … Peter Sullivan | ||
Dr. Josef Bühler | Generalgouvernement | … Ben Daniels | ||
Dr. Georg Leibbrandt | Reichsmin. besetzte Ostgebiete | … Ewan Stewart | ||
Dr. Alfred Meyer | Reichsmin. besetzte Ostgebiete | … Brian Pettifer | ||
Martin Luther | Auswärtiges Amt | … Kevin McNally | ||
Dr. Rudolf Lange | SP/SD Lettland | … Barnaby Kay | ||
Dr. Wilhelm Stuckart | Reichsmin. des Inneren | … Colin Firth | ||
Otto Hofmann | Rasse- u. Siedlungshauptamt SS | … Nicholas Woodeson | ||
Erich Neumann | Amt für Vierjahresplan | … Jonathan Coy | ||
Friedrich Wilhelm Kritzinger | Reichskanzlei | … David Threlfall | ||
Dr. Gerhard Klopfer | Parteikanzlei der NSDAP | … Ian McNeice | ||
Dr. Roland Freisler | Reichsjustizministerium | … Owen Teale | ||
Heinrich Müller | Gestapo | … Brendan Coyle |
Drehbuch: Loring Mandel nach dem erhaltenen Protokoll (s.o.)
Regie: Frank Pierson
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