Nikos Themelis:

Jenseits von Epirus

Roman, 2000

Die Hauptperson des ersten Roman von Nikos Themelis ist sein eigener Großvaters Nikolas (Nikos). Fünf verschiedene Personen erzählen – in chronologischer Reihenfolge – ihre Begegnungen und Erlebnisse mit Nikos; nur die erste Geschichte, der Beginn, ist Nikos selbst in den Mund gelegt.

Durch die sehr unterschiedlichen Perspektiven und die Vielzahl an "Nebengeschichten" offenbart sich dem Leser ein sehr buntes, vielgestaltiges Bild vom Leben in Griechenland und Kleinasien im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Die Erzählung von Nikolas

Nikolas wächst um 1880 in Epirus – heute in Griechenland, damals außerhalb des "freien Griechenlands" – in dem kleinen Dorf Sagoria auf: der Vater ist Händler und daher stets auf langen Reisen. Als Nikolas 16 Jahre alt ist, hat die Familienidylle in neuen Haus ein jähes Ende: Der Vater kehrt nicht zurück, Mutter und Großmutter verheimlichen den Kindern den Grund. Doch die Schande lässt sich nicht so leicht verbergen: der Vater ist mit der Tochter eines seiner Kompagnons aus dem selben Dorf durchgebrannt. Nikos nimmt sich vor, mehr zu lernen, zu bewirken, zu erbauen.

Die Erzählung des Meisters

Einer der Baumeister, die im Jahr zuvor Nikos’ Vater das neue Haus in Epirus errichtet hatten, trifft Nikos 1886 auf der Insel Lesbos wieder, wo er in Molivos eine neue dampfbetriebene Ölmühle erbauen soll. Letztlich scheitert das Bauvorhaben an den internen Streitereien der Auftraggeber. Doch Nikos zeigt den Bauleuten ein ganz anderes Projekt, viel wichtiger als eine Ölmühle: die Reste einer antiken Stadt. Diese Reste gilt es vor der Zerstörung und der Verfrachtung in ferne Museen zu bewahren.

Die Erzählung des Vaios

Der junge Vaios aus Manisa nahe Smyrna studiert in Leipzig Chemie. Doch das Studium interessiert ihn so wenig wie die Handelsgeschäfte seines Vaters Anton(-Efendi); Vaios Welt sind die Philosophie, die Musik und vorallem die neuen Ideen des ausgehenden Jahrhunderts, deren Auswirkungen sich noch nicht recht abschätzen lassen, deren revolutionärer Charakter sich aber erahnen lässt. Nachdem der Vater einen Schlaganfall erleidet, muss Vaios aber heimkehren und erkennen, dass er sich nun um die Familie zu kümmern hat.

Die Situation scheint ausweglos: die Geschäfte des Vaters liegen praktisch danieder, er ist völlig überschuldet und die Schuldner lauern darauf, alles, was die Familie besitzt unter sich aufteilen zu können. Ein (letzter) Freund des Vaters hilft: Vaios bekommt den etwas jüngeren, in geschäftlichen Dingen aber sehr erfahrenen Nikos zur Seite gestellt. Nikos organisiert den Betrieb um, erschließt neue, einträglichere Märkte und schafft es binnen weniger Jahre die Lage völlig umzukehren.

Mit der Gewissheit, den Betrieb und die Familie in guten Händen zurückzulassen, geht Vaios wieder nach Deutschland, um dort sein Leben zu finden. (Vaios zieht um 1900 nach Wien, wird dort Bibliothekar und stirbt 1918 an der Grippe.)

Die Erzählung der Nona

Die großmütterliche Liebe und Fürsorge, die die Nona Vaios angedeihen ließ, gilt nach dessen Rückkehr nach Deutschland Nikos, nunmehr respektvoll Nikolis-Efendi genannt. Nur zu gerne würde Vaios’ Familie Vaios’ (hochnäsige) Schwester Anna mit Nikos verheiraten; doch diese weigert sich. Erst als der geliebte Vater ihr an seinem Sterbebett den Schwur abnimmt, diese Verbindung einzugehen, willigt sie in die Hochzeit ein.

Jahre später, als bereits die Kinder Jorgos, Kostas und Antonakis geboren waren, offenbart Anna ihrem Mann ihre Verachtung. Fortan lebt Nikos getrennt von der Familie, offiziell aus Gesundheitsgründen, damit der Schein gewahrt bleibt.

Die Erzählung des Lehrers

Nach seinem Schulabschluss und dem Studium in Konstantinopel fühlt sich Eftichios in seiner Geburtsstadt Wien fremd. Um dem einschränkenden Milieu seiner Onkel in Konstantinopel zu entkommen, nimmt er eine Stelle als Lehrer an einer angesehenen Schule in Smyrna an. Dort unterrichtet er u.a. auch die Söhne von Nikolis-Efendi. Und Nikos begeistert ihn von einer neuen Idee: eine Wochenend-Schule für die Landarbeiter und deren Kinder – auch den Armen so Bildung zukommen, zum Wohle aller, denn diese Bildung würde die religiösen und ethnischen Gegensätze, die Kleinasien terrorisieren, überwinden helfen.

Erst als Eftichios heiratet (und einen Ersatz für seine "Wochenend-Tätigkeit" gefunden hat), lockert sich die Freundschaft. Erst am Tag nach dessen Begräbnis erfährt Eftichios vom plötzlichen Tod Nikos.

Die Erzählung des Engels

Von Kindheit an wird Angelos wegen seiner engelsgleichen Augen bewundert und von fürchterlichen Kopfschmerzen geplagt, was nicht nur er miteinander in Verbindung bringt – einigen gilt er als verhext, mit einem Fluch belegt. Als die griechenfeindliche Stimmung in Konstantinopel unerträglich wird, beschließt Angelos’ Familie den Umzug nach Athen.

Dort findet Angelos in einer Kanzlei Arbeit als Anwalt und lernt die verwitwete Anna kennen, die mit ihrer Familie vor den Unruhen in Kleinasien ins griechische Mutterland geflüchtet ist. Mit ihrem Sohn Kostas verbindet ihn bald eine gute Freundschaft, der schließlich Angelos’ Schwester Ariadni heiratet.

Bei einem Fest offenbart die – etwas angetrunkene – Nona der Familie, dass Kostas und Ariadni Cousin und Cousine sind: Anton-Efendi, der Großvater von Kostas, und Ariadni’s Großvater, Konstantis-Efendi, waren Brüder gewesen; und Konstantis-Efendi hatte wegen einem Mord aus Smyrna fliehen müssen.

Annas Familie zieht sich daraufhin zurück, doch die Ehe von Kostas und Ariadni leidet ebenso wenig darunter, wie die Freundschaft von Kostas mit Angelos. Eines Tages stirbt Angelos bei einem Verkehrsunfall.

 

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15.11.2004

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