Nikos Kazantzakis:

Freiheit oder Tod
Originaltitel: Ο κɑπετάν Μιχάλης / Kapitän Michalis

Roman, 1950

Inhalt

An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit wären Kapitän Michalis – in Megalokastro, dem früheren Heraklion, treffenderweise "Kapitän Wildschwein" genannt – und der mächtige Nuri Bey gewiss beste Freunde gewesen. Doch im Jahre 1889 ist Kreta (noch immer) von den Türken besetzt und die zahlreichen Aufstände – der letzte große war 1866 – und ihre Niederschlagungen hatten viele, tiefe Wunden in ihrer beiden Familien geschlagen. Gemeinsam aufgewachsen hatten sie einander feierlich Blutsbrüderschaft geschworen, um einander nicht töten zu müssen.

Drei Arten von Menschen gibt es, machte sich Bertodulos langsam klar: solche, die Eier ohne Schale essen, solche, die Eier mit Schale essen, und solche, die sie mit Schale und samt Schüssel verspeisen. Die dritte Art heißen Kreter. Ach, ach, Conte Mangiavino, was hast du hier drinnen zu suchen? fragte er sich […] — Kazantzakis: Freiheit oder Tod

Im Frühjahr 1889 provoziert Manusakas, ein Bruder Michalis’, einmal mehr die Türken. Nuri Bey bittet Kapitän Michalis, diesen zu ermahnen. Zur Versöhnung und aus Stolz, sie zu besitzen, zwingt Bey seine Eminé Hanum ohne Schleier für die beiden Männer zu singen. Die mannstolle Frau verliebt sich in den gewaltigen, wortkargen Kreter und ihm, dem Hartherzigen, Rauhbeinigen mit dem unbarmherzigen Ehrgefühl, diesem Inbegriff an Selbstdisziplin, dem nur Kreta noch mehr als die eigene Familie bedeutet, ihm geht die Tscherkessin plötzlich nicht mehr aus dem Kopf.

Nach zwei Tagen bricht Michalis das Saufgelage, das er üblicherweise zwei Mal im Jahr für je acht Tage in seinem Keller veranstaltet, ab; er reitet ins Kaffeehaus und treibt die Agas hinaus. Für viele ein Zeichen, dass Christen und Moslems einander bald wieder niedermetzeln werden, was Extremisten auf beiden Seiten anstreben, Besonnenere verhindern wollen. Nuri Bey zählt eher zu letzteren. Er verspricht dem Pascha Rache für die Beleidigung der Agas zu nehmen: einen toten Kreter.

Da das Blut seines 1866 abgeschlachteten Vaters ohnehin längst "nach Vergeltung schreit", tötet Nuri Bey Manusakas im Zweikampf, wird dabei allerdings selbst schwerst verwundet – und entmannt.

Während das Morden zwischen Moslems und Christen immer weiter zu nimmt, wartet Michalis auf Beys Genesung mit der Absicht, ihn nun doch zu töten. Doch als er den Augenblick für gekommen hält, findet er nur ein Wrack dessen vor, was einst sein Blutsbruder war: einen gebrochenen Mann, dem das Leben nunmehr als Schande gilt und daher den Tod sucht, der ihn geradezu um den Tod bittet. Nachdem Michalis unverrichteter Dinge den Hof Beys verlässt, begeht dieser Selbstmord.

Unterdessen hat Thodoris, der erst 17-jährige Sohn Manusakas', Rache für seinen Vater genommen und ist mit den Waffen und der Fahne Manusakas' in die Berge geflohen. Dort sammelt er Männer und ruft offen zum Aufstand auf.

Das Morden ist nicht mehr aufzuhalten. Überall flüchten Familien in Gebiete, von denen sie sich Schutz erhoffen, Männer planen Morde, Überfälle, Massaker. In letzter Minute entkommt Michalis mit seiner Familie den venezianischen Mauern Megalokastros.

Gemeinsam mit den anderen Kapitänen Kretas rüstet er zum Krieg gegen die Türken, die inzwischen kampfeslustige Verstärkung vom Sultan erhalten haben. Kreta versinkt einmal mehr knietief im Blut, obwohl den Anführern der Erhebung sehr bald klar wird, dass ihr Kampf um die Freiheit verloren ist:

Es gibt Völker und Menschen, die zu Gott mit Gebet und Tränen rufen oder in zuchtvoller, vernünftiger Selbstbeherrschung oder ihn auch lästern. Die Kreter riefen zu ihm mit dem Gewehr. […] »Geduld, Vernunft, zieht mich in kein Blutvergießen!« flehte die Bettelmutter Hellas und zitterte. »Freiheit oder Tod!« antworteten die Kreter und lärmten vor Gottes Tür. — Kazantzakis: Freiheit oder Tod

Beim Kampf um das Kloster des Herren Christus verlässt Michalis seinen Posten, nachdem ihm zugetragen wurde, dass Eminé Harum, die – weil sie Michalis nicht bekommen konnte – längst die Geliebte von Kapitän Polyxigis geworden war und sich vor der Hochzeit mit ihm christlich taufen lassen wollte, von den Türken entführt worden war. Mit wenigen Gefährten befreit sie Michalis und bringt sie wieder in Sicherheit – wo er sie tötet.

»Ich musste dich [Polyxigis] töten oder sie. Ich dachte an Kreta. Du bist ein guter Krieger. Kreta braucht dich. Darum tötete ich sie. […]« — Kazantzakis: Freiheit oder Tod

Da das Kloster in eben dieser Nacht von den Türken eingenommen wird, wird sein Fehlen Michalis zur Schande. Nun hat er erst recht nichts mehr zu verlieren.

»So steht es also um euch, ihr Großmächte, ihr weigert euch, Kreta die Freiheit zu geben. Schande über euch! Ich, Kapitän Michalis, ich kleines kretisches Stachelschwein, habe euch nicht nötig! Und mag Gott Kreta im Stich lassen, ich lasse es nicht im Stich!« — Kazantzakis: Freiheit oder Tod

Selbst als allenorts der Aufstand niedergeschlagen, die Waffen wieder versteckt werden und die Aufständischen und Flüchtlinge in ihre zerstörten Dörfer zurückkehren, gilt für Michalis weiter die Losung seiner schwarz-roten Fahne: Freiheit oder Tod!
In den Sog seines Untergangs gerät letztlich auch sein junger, gebildeter Neffe Kosmas, der angesichts des kretischen Kampfes aus dem Ausland heimgekehrt war.

Kritik

Nikos Kazantzakis – vorallem bekannt durch seine Romane Alexis Sorbas und Die letzte Versuchung Christi – war selbst 1883 in Megalokastro, dem heutigen Iraklio (Heraklion), geboren und aufgewachsen. Der opulente wie dramatische Roman Freiheit oder Tod (Kapitän Michalis) ist auch eine Hommage an seinen eigenen Vater.

 

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Nikos Kazantzakis: Freiheit oder Tod

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