Ryszard Kapuściński

Meine Reisen mit Herodot
Originaltitel: Podróże z Herodotem (2004)

Sachbuch, 2005

Kritik

Der bekannte Reporter und reisende Schriftsteller erzählt von seinen beruflichen Anfängen und vorallem einem Buch, das ihn von seiner ersten Reise an begleitet hat: die Historien des Herodot.

Während sich der junge Korrespondent in einer ihm völlig fremden Welt zurechtfinden muss, entdeckt er in dem antiken Historiker und Erzähler den Vater der Reportage, seinen persönlichen Reiseführer und Lehrer in Methodik. Herodots Offenheit in der Begegnung mit fremden Kulturen, seine Neugierde und die ständige Bereitschaft, zu beobachten, zuzuhören und nachzuforschen, werden Kapuscinski zum Vorbild.

Meine Reisen mit Herodot unterhält mit (teilweise köstlichen) Episoden aus Kapuscinskis Leben und ausgewählten Zitaten aus Herodots Historien. Ein Buch, das Lust aufs Reisen, auf die Begegnung mit anderen Kulturen macht – und aufs (erneute) Lesen von Herodots Lebenswerk.

Inhalt

Nach dem Studium beginnt Ryszard Kapuściński als junger Reporter bei der Zeitung Sztandar Młodych (Jugendfahne) und bereist das kommunistische Polen wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Mein größter Wunsch, der mich quälte und verfolgte, war eigentlich ganz bescheiden, denn es ging mir nur um eines – um den Moment, den Akt, die simple Tätigkeit des Überschreitens der Grenze. Sie überschreiten und gleich wieder zurückkehren, so dachte ich mir damals, das würde mir völlig genügen, […]. — Kapuscinski: Meine Reisen mit Herodot (Ü: Martin Pollack)

1956 geht der erste Teil dieses Wunsches in Erfüllung, nicht aber der (wichtige) zweite: der Provinz-Reporter wird von seiner Zeitung ins Ausland geschickt: Er soll vorort Reportagen über Indien liefern, dessen Staatschef Jawaharlal Nehru eben Polen als erster nicht-sowjetischer Staatsgast Polen besucht hat.

Zuallerst war ich wie betäubt. Dann verspürte ich Panik: Ich wußte nichts über Indien. Fieberhaft suchte ich in meinem Kopf nach irgendwelchen Assoziationen, Bildern, Namen. Ich fand keine: Über Indien wußte ich rein gar nichts. — Kapuscinski: Meine Reisen mit Herodot

Von seiner Chefin erhält er für diesen Anlass ein Buch geschenkt:

»Das ist von mir, für unterwegs.« Es war ein dickes Buch mit einem steifen, gelben Leineneinband. Vorn sah ich den mit goldenen Lettern eingestanzten Namen des Autors und den Titel: Herodot. HISTORIEN.« — Kapuscinski: Meine Reisen mit Herodot

Als Außenseiter in einer ihm gänzlich fremden Welt werden ihm Herodots Historien mit ihren unzähligen Geschichten und Reisebeschreibungen (aus dem 5. Jahrhundert v.Chr.) – darunter auch jene über Indien – zum freundschaftlichen Begleiter. Kapuscinski ist angetan von der Neugierde und Beharrlichkeit seines antiken "Vorgängers".
Nach seiner Rückkehr aus Indien – die Reise wertet er als Niederlage – versucht Kapuściński seine Wissensdefizite aufzuholen und deckt sich (soweit das damals in Polen möglich war) mit Literatur über Indien ein. Aber auch über Herodot.

Just zu dem Zeitpunkt als er sich mit dem Thema Indien angefreundet hatte, wird er im Herbst 1957 erneut ins Ausland geschickt: Allerdings lautet diesmal das Ziel: China …

Und während Kapuscinki praktisch rund um den Globus – darunter in Zentralafrika, Indonesien, Naher Osten, Sudan, … – unterwegs ist, begleiten ihn zumeist Herodots Historien. Denn auch ohne geografischen Bezug liefert der antike Erzähler dem Reporter ausreichend Stoff zum Nachdenken über seine Arbeit wie auch ganz allgemein über Kulturen, Interpretationen, Begegnungen, Erinnerung und ähnliches mehr.

 

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16. August 2006

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Cover Meine Reisen mit Herodot
Ryszard Kapuscinski: Meine Reisen mit Herodot

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