Der Peloponnesische Krieg
Inhalt
Thukydides von Athen hat den Krieg der Peloponnesier und Athener, den sie gegeneinander führten, aufgezeichnet. Er begann damit gleich beim Ausbruch, in der Erwartung, der Krieg werde bedeutend werden und denkwürdiger als alle früheren; das erschloß er daraus, daß beide auf der vollen Höhe ihrer Machtmittel in den Kampf eintraten und daß er das ganze übrige Hellenentum Partei ergreifen sah, teils sofort, teils nach einigem Zögern. Es war bei weitem die gewaltigste Erschütterung für die Hellenen und einen Teil der Barbaren, ja sozusagen unter den Menschen überhaupt. — Thukydides: Peloponnesischer Krieg 1,1 (Ü: Georg Peter Landmann)
Diese Einschätzung ist kaum übertrieben; tatsächlich muss seinen Zeitgenossen der Peloponnesische Krieg (431–404 v.Chr.) gigantisch erschienen sein. Zur Untermauerung der Größe des Krieges vergleicht er ihn – im Zuge seiner von Späteren "Archäologie" genannten Einleitung – mit dem Trojanischen Krieg (vgl. Homer Ilias).
Pentekontaetie
Nach der Abwehr der persischen Gefahr, wandte sich die Aufmerksamkeit der griechischen Stadtstaaten wieder der inner-hellenischen Lage zu. Verschiedene Bündnisse (boiotischer Bund, arkadischer Bund, attischer Bund u.s.w.) sorgten für Sicherheit und Konfliktstoff - sei es intern oder nach außen.
Nach gemeinsamer Abwehr des Barbaren schieden sich nicht viel später die vom Großkönig abgefallenen Hellenen und die Streitgenossen und unterstellten sich teils Athen, teils Sparta; denn diese beiden Städte hoben sich ab als die mächtigsten; es herrschte die eine zu Lande [Sparta], die andere mit ihren Schiffen [Athen]. — Thukydides: Peloponnesischer Krieg 1,18
schilderte Thukydides in seinem Exkurs Pentekontaetie (1,88–118) über die 50 Jahre zwischen 480 und 431, eine bewußte Überleitung von Herodots Werk zu seinem eigenen: Athen, die Stadt, die hauptverantwortlich war für die Abwehr der Perser, nutzt die mächtige Flotte zur Ausdehnung der eigenen Macht, entmachtet die anfangs gleichberechtigten Partner des Seebundes (zur Perserabwehr) und schwingt sich zur Herrin auf. Wer sich der "Freundschaft" Athens entziehen will, versichert sich der Obhut Spartas, das dieser Entwicklung mißtrauisch zusieht, aber lange Zeit abwartet bis ein Krieg unvermeidlich wird.
Archidamischer Krieg
Doch im sogenannten "Archidamischen Krieg" (431–421) erweisen sich die Gegner als ebenbürdig: weder die (fast) alljährichen Einfälle der Spartaner (anfangs unter König Archidamos) in Attika, noch die Flottenoperationen Athens sind entscheidend.
Dekeleischer Krieg
Der "Nikiasfriede" ändert das Verhalten beider kaum, und Thukydides stellt schlüssig fest, dass der Krieg eigentlich nicht vorüber ist. Weitere Verbündete werden "gesammelt", Stellvertreterkriege geführt und kräftig fürs nächste Treffen gerüstet, bis ab 412 v.Chr. im sogenannten "Dekeleische Krieg" die Entscheidung gesucht wird.
Während der Schilderung der Ereignisse des (insgesamt) 21. Kriegsjahrs (411 v.Chr.) bricht Thukydides aus uns unbekannten Gründen mitten im Satz ab. Die weiteren Jahre bis zur Kapitulation Athens (404 v.Chr.) sind bei Xenophon (»Hellenika«) nachzulesen, der Thukydides’ Werk bewusst weitergeführt hat.
Hintergrund:
Im krassen Gegensatz zu Herodot ist Thukydides weder an Klatsch und Trasch, noch an irgendwelchen Kuriositäten interessiert gewesen:
Was aber tatsächlich geschah in dem Kriege, erlaubte ich mir nicht nach Auskünften des ersten besten aufzuschreiben, auch nicht "nach meinem Dafürhalten" [eine von Herodot häufig gebrauchte Redewendung], sondern bin Selbsterlebtem und Nachrichten von andern mit aller erreichbaren Genauigkeit bis ins einzelne nachgegangen. Mühsam war diese Forschung, weil die Zeugen der einzelnen Ereignisse nicht dasselbe über dasselbe aussagten, sondern je nach Gunst oder Gedächtnis. Zum Zuhören wird vielleicht diese undichterische Darstellung minder ergötzlich scheinen; wer aber das Gewesene klar erkennen will und damit auch das Künftige, das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein wird, der mag sie für nützlich halten, und das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz, nicht als Prunkstück fürs einmalige Hören ist sie verfaßt. — Thukydides: Peloponnesischer Krieg 1,22
Diese formale Strenge und die Objektivität, mit der Thukydides versucht hat, die Motive und Handlungen beider Kriegsparteien (und der Übrigen) auszuleuchten und festzuhalten, waren beispielhaft für nachfolgenden Generationen von Historikern und machten Thukydides zum "eigentlichen" Vater der Geschichtsschreibung.
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