Marcus Tullius Cicero

Cato der Ältere. Über das Alter
Cato maior. de senectute

Diesen fiktiven Dialog hat Cicero seinem langjährigen Freund und Altersgenossen Titus Pomponius Atticus gewidmet – als Greis an einen Greis (Cic.Laelius 5).

Zum Wortführer des Gespräches wählte Cicero den Marcus Porcius Cato (Censorius Sapiens), den erzkonservativen, " älteren" Cato (234–169), der als wortgewaltiger Verteidiger der "alten Sitten" (gerade auch) am Ende der Republik zum Idealbild eines republikanischen Politikers hochstilisiert wurde. Für Cicero war Cato ein Inbegriff an Tugend und auch an Weisheit (Cic.Laelius 5) – nachdem dieser in höherem Alter Interesse an der griechischen Philosophie gefunden haben soll. (Ansonsten war Cato, der begeisterte Bauer, allem verweichlichendem Luxus – zu der er auch die höhere Bildung zählte – und "nicht ursprünglich römischem" höchst feindlich gesinnt gewesen).

Die Gesprächspartner Catos sind Publius Cornelius Scipio Africanus minor (um 185–129), mehrfacher Consul und u.a. Eroberer Karthagos (146) und Gaius Laelius Sapiens, Freund des jüngeren Scipio und vorallem für Spätere Musterbeispiel eines guten Freundes (s. Cicero: Laelius – Über die Freundschaft).

… in seinem [Catos] Haus lasse ich Laelius und Scipio auftreten als Männer, die ihn bewundern, weil er mit dem Alter so leicht fertig werde, und er soll ihnen dann antworten. — Cicero: Cato maior 3

Dieser erdachte Hintergrund ist freilich nur eine bunte Bühne für Ciceros eigene Gedanken:

Gleich wird Cato selbst zu Wort kommen und alles darlegen, was ich zum Thema Greisenalter zu sagen habe. — Cicero: Cato maior 3

Ausgangspunkt des Gespräches ist Catos Gelassenheit gegenüber seinem Alter, die er so erklärt:

»Wer nämlich keine Kraft zu einem sittlichen Leben in sich selbst trägt, dem ist jedes Lebensalter eine Last; wer aber alles Gute von sich selbst verlangt, dem kann nichts, was das Naturgesetz zwangsläufig mit sich bringt, als ein Übel erscheinen. Dazu gehört in erster Linie das Alter; alle wünschen es zu erreichen; haben sie es dann erreicht, dann beklagen sie sich darüber; …« — Cicero: Cato maior 4

Cicero fasst die Vorwürfe, die dem Greisenalter gemacht werden, zusammen:

»[…] vier Gründe, aus denen man das Alter für ein Unglück hält: Erstens, weil es uns in zunehmenden Maße verwehre, Großes zu leisten; zweitens, weil es den Körper entkräfte; drittens, weil es uns fast jede Sinnenfreude nehme, und viertens, weil es dem Tod nahe sei.« — Cicero: Cato maior 15

Den Hauptteil der Schrift bildet die Widerlegung dieser "Gründe". Ein wesentlicher Punkt ist für Cicero – auch hier – die Tugend, die den Charakter des Menschen formt – oder auch nicht.
Ciceros Cato wehrt sich dagegen, dass das Alter (oder ein anderer Lebensabschnitt) an sich hauptverantwortlich für Unannehmlichkeiten der betreffenden Person sei:

»Aber – wird eingewandt: Man ist doch als alter Mensch mürrisch, verdrießlich, jähzornig, eigensinnig; […] Allein diese Fehler liegen nicht am Alter, sondern im Charakter.« — Cicero: Cato maior 65

Der Mensch selbst ist für sein "Zustand" im höheren Alter verantwortlich. Fehler und Laster (der Vergangenheit) machen sich vorallem dann bemerkbar – die körperlichen wie die geistigen. Den Sinnesfreuden – von den meisten im Zusammenhang mit dem Sexualleben verstanden – können Cato/Cicero ohnehin wenig abgewinnen: die (Sinnes)Lust verwirrt die Sinne, beeinträchtigt den Verstand. Insofern empfinden sie das Greisenalter als Befreiung und beteuern, es gäbe ja noch genügend andere Sinnesfreuden.
Mitunter schlägt das Loblied auf das Greisenalter auch deutlich über die Stränge:

»[…] Jung wird man leichter krank, die Krankheiten sind schwerer, ihre Behandlung nimmt leichter den Lebensmut. So erreichen auch nur wenige ein hohes Alter; wäre dem nicht so, dann wäre unser Leben besser und vernünftiger. Denn Verstand, Vernunft und kluger Rat sind den Greisen vorbehalten; hätte es sie nicht gegeben, so hätte kein Staat je bestehen können.« — Cicero: Cato maior 67

Auch die zeitliche Nähe zum Tod lässt Cicero nicht als Nachteil gelten. Denn das jenseitige Leben, so es eines geben sollte, verspricht ein Wiedersehen mit lieben Verstorbenen und die unsterbliche, reine Seele ist endlich aus ihrem diesseitigen Gefängnis entlassen.

»Sei es drum, dass wir auch nicht unsterblich sein werden, so ist es doch für den Menschen wünschenswert, daß sein Lebenslicht, wenn es an der Zeit ist, ausgeblasen wird. Denn die Natur hat, wie allem anderen, so auch dem Leben ein Maß bestimmt. Das Greisenalter aber ist, wie bei einem Schauspiel, des Lebens letzter Akt. Hier schlappzumachen, sollten wir vermeiden, zudem wir ja die Erfüllung haben.« — Cicero: Cato maior 85

Und so sind Cicero/Cato mit ihrem Greisenalter zufrieden:

»Und wollte mir ein Gott die Gnade schenken, aus diesem meinem Alter heraus wieder Kind zu werden und in der Wiege zu wimmern, so würde ich mich wohl gar sehr weigern und keineswegs willens sein, nach vollendetem Rennen mich vom Ziel wieder an den Start zurückweisen zu lassen.« — Cicero: Cato maior 83

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21.9.2004 / 2015

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