Gaius Petronius Arbiter

Satyrikon
Satyricon / Satiricon, verfasst vor 66 (od. später)

Überlieferung

Der frivol-fröhliche Reiseroman Satyrikon umfasste ursprünglich 16 Bücher. Kaum mehr als 15% des Textes sind uns in Form von Exzerpten und Fragmenten erhalten geblieben.

Ende des 17. Jahrhunderts hat der Franzose F. Nodot die lose erhaltenen Stellen mit (nachempfundenen) Texten aufgefüllt und zu einer durchgehenden Geschichte verbunden. Dieses von ihm als angeblich antike Zusammenfassung des Satyrikon publizierte Werk war bald als Fälschung erkannt.
Aber die Verknüpfung war dermaßen geschickt, dass sie auch heute noch für die Ausgaben des Satyrikon verwendet wird, obwohl einige "Auffüllungen" – insbesondere der Anfang, hier unten kursiv – (mittlerweile) als Fehlinterpretationen Nodots bewertet werden.

Inhalt

1. Teil – Die Abenteuer mit Askylt

Im ersten Teil dieses Reiseromans werden die jungen Männer Enkolpius – der Ich-Erzähler – und sein Diener Giton von Askylt begleitet. Die Liebe zum schönen Giton sorgt immer wieder zu Streitereien zwischen dem aufbrausenden Enkolpius und Askylt. [Die wirtschaftliche Not hält sie zusammen. Gemeinsam nehmen sie die Einladung des römischen Senators Lykurgus, einem ehemaligen Geliebten Askylts, in dessen Landhaus an, wo sie auf den begüterten Lichas und dessen junge Geliebte Tryphäna kennenlernen. Lichas und Tryphäna verlieben sich in Enkolpius, Lykurgus erneuert die Beziehung zu Askylt.

Als Enkolpius und Giton Lichas und Tryphäna auf Lichas Gut folgen, verliebt sich Tryphäna in Giton, während Lichas und dessen Frau Doris unabhängig von einander mit Enkolpius ein Verhältnis beginnen. Die bald auftretenden Eifersüchteleien veranlassen Enkolpius und Giton zur Flucht. Dabei bietet sich auch die Gelegenheit zum Diebstahl von Gewändern und Wertgegenständen, die ein Schiff des Lichas geladen hat. Auf Askylt Rat hin umschmeicheln die beiden Lykurgus und erzählen, ihre Flucht und Lichas Zorn sei allein auf die Ausschweifungen zurückzuführen, und Lykurgus sagt zu, sie zu beschützen. Doch Lichas und Tryphäna wissen ebenfalls Lykurgus für sich einzunehmen und umzustimmen. Daraufhin bestehlen die drei Männer auch Lykurgus und machen sich davon.

In der Gegend von Neapel halten sie sich weiter mit Diebstahl über Wasser. Eines Tages stören sie in einem Tempel des Priapus einige Frauen (und treiben scherzhafte Streiche?).] Eine der Frauen, Quartilla, sucht die Frevler auf, schließt aber Frieden mit ihnen und will Enkolpius von seinem intimen Leiden heilen: Denn Enkolpius’ Glied bleibt stets schlaff, gleichgültig in wessen Gesellschaft hat er keine Erektion mehr. Allein, alle Bemühungen bleiben vergeblich, die Heilung bleibt aus.

2. Teil – Das Gastmahl des Trimalchio

Am Beginn des 2. Teils des Satyrikon steht das berühmte Gastmahl des Trimalchio, zu dem die drei jungen Männer eingeladen werden. Das besondere an diesem Gelage sind die exquisit zubereiteten Speisen: jeder Gang übertrifft den vorherigen in seiner speziellen Zubereitung und überraschenden Präsentation.

»[…] Es gibt keinen begabteren Koch. Wenn man es verlangt, macht er aus Zwiebeln Fisch, aus Speck Ringeltauben und aus Schinken Turteltauben, aus Kalbsfuß Hühner. Und deshalb bin ich [Trimalchio] auf die Idee gekommen, ihm einen passenderen Namen zu geben; er heißt Daedalus [zu Daidalos s. Euripides: Die Kreter]. […]« — Petronius: Satyricon [Ü: Carl Fischer]

Das Staunen und die Begeisterung der Gäste erfreuen den neureichen Trimalchio, dem nichts so sehr am Herzen liegt, wie alle anderen mit seinem Reichtum zu beeindrucken. Seine äußerst mangelhafte Bildung wird vorallem bei seinen eigenwilligen Interpretationen von Kunstgegenständen und Geschichten deutlich: er verwechselt so ziemlich alle Figuren der Mythologie, was ihn freilich nicht abhält, all sein "Wissen" bei jeder Gelegenheit lautstark zu verkünden. Für sein Andenken nach dem Tod sollen seine detailierten Anweisungen im Testament sorgen, das er vorliest. Im Mittelpunkt steht ein prächtiges Grabmal, dessen Details er festgelegt hat.

»[…] In der Mitte soll eine Sonnenuhr sein, damit jeder, der nach der Uhr sieht, auch meinen Namen lesen muß, ob er will oder nicht. Bitte sage mir, ob dir diese Inschrift geeignet erscheint: ›Hier ruht C. Pompeius Trimalchio der Mäzen. In absentia zum Sevir ernannt, verzichtet er auf alle Ämter, die ihm angetragen wurden. Fromm tapfer treu, aus bescheidenen Anfängen zu hohen Ehren gelangt, hinterließ er dreißig Millionen und hat nie eine Schule besucht. Auch du lebe wohl!‹« — Petronius: Satyricon

Das Gelage endet recht abrupt, als man in der Nachbarschaft meint, es sei im Haus des Trimalchio ein Feuer ausgebrochen, und sich mit Gewalt Zutritt verschafft, um das vermeindliche Unglück einzudämmen. Die drei Freunde nutzen die Gelegenheit zur Flucht.

3. Teil – Erlebnisse mit Eumolp

Bald darauf kommt es erneut zum Streit zwischen Enkolpius und Askylt. Ehe die Auseinandersetzung blutig wird, entscheidet sich Giton, bei Askylt zu bleiben. Enkolpius ist verzweifelt. In einem mit herausragenden Plastiken geschmückten Tempelbezirkt lernt er den ergrauten Dichter Eumolp kennen. Kurz darauf flüchtet auch Giton zu Enkolpius.
Wieder wird der schöne Giton zum Streitobjekt zwischen dem aufbrausenden Enkolpius und seinem Begleiter. Inzwischen läßt Askylt Giton offiziell als entflohenen Sklaven suchen. Nur knapp entgeht Giton der Entdeckung bei der Durchsuchung von Enkolpius’ Zimmer. Eumolp überredet Enkolpius und Giton zur gemeinsamen Flucht per Schiff.

Aber ausgerechnet mit diesem Schiff begleitet Lichas seine Tryphäna in ihr Exil nach Tarent. Der Versuch, Giton und Enkolpius als gebranntmarkte Sklaven zu maskieren misslingt, sie werden erkannt. Nach einigen turbulenten Szenen kann Eumolp die Lichas und Tryphäna mit Enkolpius und Giton aussöhnen. Kaum ist das geschafft, gerät das Schiff in einen Sturm. Lichas kommt in den Fluten um, Tryphäna kann sich samt ihrer Habe in einem Boot retten, der Rest erleidet Schiffbruch nahe der Stadt Kroton.
Über die Bewohner Krotons erfahren Enkolpius, Giton und Eumolp:

»[…] In dieser Stadt hält man nämlich nicht viel von Bildung, auch die Redekunst hat hier keinen Boden, und Mäßigkeit und gute Sitten finden weder Lob noch Lohn, sondern alle Leute, die ihr in dieser Stadt trefft, gehören – wie ihr bald selber sehen werdet – zwei Gruppen an. Entweder sind sie Erblasser oder sie sind Erbschleicher. In dieser Stadt werden keine Kinder aufgezogen, weil einer, der schon Erben hat, zu keinem Gastmahl oder Festspiel eingeladen wird, sondern, von allen Annehmlichkeiten ausgeschlossen, mit der Hefe des Volkes im Verborgenen leben muß. Wer nie geheiratet hat und keine Verwandten besitzt, kommt in den Genuß der höchsten Ehren; […]« — Petronius: Satyricon

Was liegt näher, als dies auszunutzen? Eumolp gibt sich als reicher, kinderloser, altersschwacher Gutsherr aus (der für seine riesigen Ländereien in Africa keine Erben hat), Enkolpius, Giton und Korax, der Sklave des Eumolp, als dessen Sklaven.

Zum Leidwesen Gitons verliebt sich die schönste Frau der Stadt, Circe, in Enkolpius. Dessen immer noch andauerndes Leiden ist aber für Circe eine schwere Beleidigung. Wieder sucht Enkolpius Hilfe in der Magie, hält aber die "Kur" der Hexe Oenothea nicht durch.
Schließlich wird Enkolpius doch noch von seinem Leiden kuriert (auf welche Art, ist nicht überliefert):

»Die allmächtigen Götter sind es, die mir meine Kraft wiedergegeben haben. Merkur, der die Seelen in die Unterwelt führt und wieder zurückbringt, hat mir in seiner Gnade zurückgegeben, was mir eine zürnende Hand geraubt hatte; hieraus kannst du ersehen, daß ich noch größeres Glück habe als Protesilaus [s. Euripides Protesilaos] oder sonst einer der Helden der Vergangenheit!« — Petronius: Satyricon

Am Ende der überlieferten Fragmente steht eine eigenwillige Auflage Eumolps für seine potentiellen Erben: Wer erben will, muss den Leichnam des Verstorbenen aufessen.

Über Satyricon

Die erhaltenen Fragmente lassen Umfang und Struktur des Originals erkennen: Der Reiseroman hat zahlreiche Erzählungen und Geschichten integriert, die teilweise den Hintergrund oder das gesellschaftliche Umfeld von Personen und Orten besser beleuten sollen oder auch Persiflagen auf berühmte Werke sind. Dabei ist die Sprache ist ebenso variabel wie der verwendete Stil und der jeweilige Szene angepasst; sie reicht von der Sprache der Gelehrten – z.B. für das Gespräch über Bildung und Rhetorik – bis zur vulgären Sprache der Gosse.

Erhalten sind zwei Horrorgeschichten, die beim Gastmahl des Trimalchio zum Besten gegeben werden – die Geschichte vom Werwolf und die Geisterspukgeschichte –, und im dritten Teil die Geschichten Der Knabe von Pergamon und Die Witwe von Ephesus, sowie die Gedichte Die Eroberung Trojas (s.a. Priamos) und Der Ausbruch des Bürgerkrieges (s.a. Iulius Caesar).

Die Geschichte des Ich-Erzählers Enkolpius selbst kann durchaus als satirische Anspielung der Odyssee und der Aeneis verstanden werden: War Odysseus von Zorn des Poseidon verfolgt und Aeneas (s.a. Aineias) von dem der Hera, so leidet Enkolpius mit seinem Erektionsunvermögen unter dem Zorn des phallischen Gottes Priapus (Priapos).

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