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Theseus
Der Supermann aus Athen
Verglichen mit Theben, Argos, Mykene, Sparta und anderen Städten spielte Athen in der griechischen Mythologie ursprünglich eine untergeordnete Rolle. In der Ilias erhält Menestheus, der Führer der Athener im Trojanischen Heer, zwar großes Lob für seine Feldherrnkünste, erwähnt wird er allerdings sehr selten.
Nur einem einzigen Athener gelingt der Aufstieg in die Riege der ganz großen Heroen – und verdankt das eigentlich zu einem großen Teil der Größe der attischen Tragödie: Theseus. Die Dichter Athens machten aus ihm in gewisser Weise einen zweiten Herakles, also einen "Über-drüber-Supermann". Dabei wurden nach bekanntem Muster die alten Geschichten ausgebaut, einwenig "verbessert".
Abstammung und Geburt
Ein Sohn des Aigeus war Theseus; und auch ein Sohn des Poseidon. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man beide Väter gleichsetzt. Der Namensteil "Aig-" deutet auf den Gott mit dem Dreizack hin und der Selbstmord des Aigeus (s.u.) wäre dann nichts anderes als die Rückkehr des Poseidon in sein Reich, eine freiwillige "Hofübergabe" an den Sohn.
Geboren wurde Theseus in Troizen, im äußersten Nordosten der Peloponnes. Von dort stammte seine Mutter Aithra. Laut Angaben einer jüngeren Quelle [Hyg.fab.] soll Aithra im Tempel der Athene mit Aigeus und mit Poseidon geschlafen haben – in ein und derselben Nacht.
Aigeus war damals nur Gast in Troizen. Vor seiner Rückkehr nach Athen versteckte er sein Schwert unter einem Felsen und erklärte seiner schwangeren Geliebten, dass sein künftiger Sohn – an eine Tochter dachte er offenbar nicht – mit diesem Schwert nach Athen kommen soll, wenn er erwachsen ist. Aithra hielt sich daran und zeigte ihrem herangewachsenen Sohn Theseus das Schwert des Vaters. Daraufhin begab sich Theseus nach Athen.
Weg nach Athen
Der Weg dorthin war gespickt mit Unholden. Speziell der Isthmos, die schmale Landzunge, die den Peloponnes mit dem Festland verbindet, war eine gefährliche Region für Wanderer: dort lauerten Sinis, genannt "Pitykamptes" ("Fichtenspanner"), Skiron (der Fußwaschungen verlangte) – siehe Euripides Fragmente Skiron –, Prokrustes (der Mann mit den Betten), Kerkyon (der Ringkämpfer) – siehe Euripides Fragment Alope – und noch andere Wegelagerer. Theseus beseitigte sie allesamt und befriedete den Isthmos, ähnlich wie Herakles die Welt von Untieren erlöst hat.
Bei seiner Ankunft in Athen fällt Theseus dann fast einem Mordanschlag der Medea zum Opfer; die ehemalige Geliebte des Iason war nach ihren Morden in Korinth von Aigeus aufgenommen worden. Der Vater erkennt den Sohn aber rechtzeitig am Schwert – siehe Euripides Fragment Aigeius. Medea muss daraufhin Athen verlassen. (Nach Auskunft Herodots ist sie zu den Ariern geflohen und wurde Namensgeberin für die Meder.)
Minotauros
Zu jener Zeit war Athen zu einer seltsamen Steuer verpflichtet. Die Stadt hatte einen Krieg gegen Kreta verloren und mußte seither jährlich mehrere junge Männer (und Frauen?) nach Kreta schicken, die dort an den Minotauros verfüttert wurden.
Der Minotauros war ein fürchterliches Untier, halb Mensch, halb Stier. Geboren hatte ihn Pasiphae, die Frau des kretischen Königs Minos. Eine Gottheit (Aphrodite) hatte ihr als Strafe für eine Verfehlung oder Untat die leidenschaftliche Liebe zu einem Stier eingegeben – siehe Euripides Fragment Die Kreter. Da Stiere für gewöhnlich menschliche Frauen kaum freiwillig "bespringen", musste Daidalos eine künstliche Kuh bauen, in der sich Pasiphae "versteckte". (Daidalos war übriges ein Verbannter; er hatte Athen wegen dem Mord an seinem Neffen Perdix verlassen müssen.)
Minos war über diesen "Sprößling" natürlich keineswegs erfreut, zumal dessen wildes Naturell einen zivilisierten Umgang mit den Bewohnern Kretas unmöglich machte. Der Minotauros wurde deshalb in einem ausgeklügelten Labyrinth gefangengehalten, das ebenfalls von Daidalos ausgedacht und geschaffen wurde.
Theseus gesellte sich freiwillig zum Kontingent des "Minotaurosfutters", mit dem Vorsatz, dieser grauslichen Angelegenheit ein Ende zu bereiten. Mit dem nervösen Vater vereinbarte er ein Zeichen: wenn alles gut geht und Theseus wohlbehalten zurückkehrt, soll er bei der Rückfahrt weiße Segel setzen, statt der schwarzen – siehe Euripides Fragment Theseus.
Theseus tötet den Minotauros und mit Hilfe der Minostochter Ariadne und ihres Fadens gelingt es ihm auch aus dem Labyrinth zu entkommen. Zusammen fliehen sie von Kreta.
Ariadne
Ursprünglich – soweit wir das sagen können – starb Ariande auf der Insel Dia (siehe Homer Odyssee); die Göttin Artemis tötete sie dort und Theseus kehrte mit einer "Scheinariadne" zurück, mit der er nicht glücklich wurde.
In der bekannteren Version, lässt Theseus Ariadne auf Naxos zurück – siehe Ovid Briefe der Heroinen (X.) –, wo sie dann von Dionysos "getröstet" wird.
Theseus selbst kehrt nach Athen zurück – vergißt aber die Abmachung mit dem Vater, segelt mit schwarzen Segeln. Der Vater siehts und stürzt sich aus Kummer ins Meer – das seither seinen Namen trägt: Ägäisches Meer (Aigeisches Meer).
Der Lapithen-Kentauren-Krieg
Der frischgebackene König von Athen begibt sich daraufhin auf Brautschau, zusammen mit seinem Freund Peirithoos. Dieser Peirithoos ist König der Lapithen und bei seiner Hochzeit mit Hippodameia war ein Krieg ausgebrochen, der – wie es scheint – die gesamte Antike hindurch sehr bekannt war: Der Krieg zwischen den Lapithen und den Kentauren, jenen Mischwesen, halb Mensch, halb Pferd. Der Kentaur Eurytion war bei dieser Hochzeit dermaßen angesoffen, dass er ständig Streit suchte und Unheil stiftete – bis er vor die Tür gezerrt wurde, wo ihm Nase und Ohren abgeschnitten wurden.
Die Folge war der Lapithen-Kentauren-Krieg – den Ovid dazu benutzt hat, eine Vielzahl namhafter Helden an einem Ort zusammenzubringen – siehe Ovid Metamorphosen.
Frauen(entführungen)
Trotz Frau und Kind(ern?) suchte Peirithoos gemeinsam mit Theseus nach weiteren Frauen. Zunächst entführten sie – die damals wohl noch sehr junge – Helena, die für Theseus vorgesehen war. Das Mädchen wurde in Attika "verwahrt" – unter der Aufsicht von Theseus Mutter Aithra.
Was die beiden Freunde dann auf die Idee gebracht hat, die folgende Wahnsinnstat zu unternehmen, bleibt unklar. Keine Geringere als Persephone, die Frau des Totenherrschers Hades, wollten sie entführen. Sie drangen also in die Unterwelt ein, aber das Unternehmen scheitert selbstverständlich. Beide werden gefangengehalten bis Herakles dort auftaucht, um den Kerberos zu entführen. Herakles gelingt es – sei es mit Gewalt, List oder Fürsprache – Theseus zu befreien. Die überwiegende Mehrzahl der Quellen spricht gegen eine Befreiung des Peirithoos – siehe Euripides Fragment Peirithoos.
Wie dem auch sei, Theseus durfte zu den Lebenden zurück. Helena war er mittlerweile losgeworden; sie war von ihren Brüdern, den Dioskuren Kastor und Polydeukes, befreit und deren Vater zurückgebracht worden. Theseus’ Mutter Aithra mußte als ihre Dienerin ebenfalls mit (und ist dann auch in Troja "dabei").
Von Herakles erhält er eine neue Frau geschenkt, die Amazone Antiope. Die Amazonen wollen sie zurück, es kommt zum Amazonenkrieg vor den Toren Athens, den Athen siegreich besteht. Die Amazone wird Mutter des Hippolytos.
Theseus’ nächste Frau ist Phaidra, die ebenfalls eine Tochter der kretischen Königs Minos gewesen sein soll. Phaidra verliebt sich in den Stiefsohn Hippolytos – ein Racheakt der Aphrodite an Hippolytos – und wird von diesem zurückgewiesen. Verzweifelt und zornig erhängt sich Phaidra und hinterlässt einen Abschiedsbrief, in dem sie sich beklagt, Hippolytos heftiges Drängen habe sie zu diesem letzten Ausweg getrieben. Theseus glaubt ihren letzten Worten und erinnert sich, drei Wünsche von seinem Vater Poseidon frei zu haben. Von Trauer und Zorn gleichermaßen übermannt, wünscht er Hippolytos’ Tod. Der Wunsch geht in Erfüllung – Hippolytos wird von Pferden zu Tode geschliffen oder zerissen –, dann erst kommt die Wahrheit ans Licht – siehe Euripides Hippolytos.
Ansonsten heben die attischen Dichter und Schriftsteller gerne Theseus' Freundschaft mit Herakles – z.B. Entsühnung des Herakles nach seiner "Wahnsinnstat" – hervor, was vorallem dem Ansehen Theseus' nutzt, und huldigen ihn als Stammvater der Athener (z.b.: Aischylos Eumeniden 402.1026), Einiger der Städte zu Stadt Athen (Thukydides: Peloponnesischer Krieg 2,15) bzw. König von Athen.
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