Briefe der Heroinen
Epistulae (heroidum) / Heroides
21 Briefe zu einem Thema, Ovids Lieblingsthema: die Liebe. Anhand von fiktiven Briefen erzählt Ovid die Geschichte von 18 berühmten Liebespaaren – freilich nicht immer vollständig, da Ovids Zeitgenossen diese Geschichten (und ihren Ausgang) ja allesamt kannten.
Der Anlass für die Briefe ist fast immer die örtliche Trennung der Geliebten; die Ursachen dafür sind verschieden: oft sind die Frauen von ihren Geliebten verlassen worden oder fürchten, verlassen zu werden; andere sind in Not und hoffen auf Rettung durch ihre Geliebten; Briefe werden aber auch geschrieben, um dem oder der anderen erstmals die Liebe zu gestehen. Oder um für immer Abschied zu nehmen.
Die Briefe:
I. Penelope an Ulixes | II. Phyllis an Demophoon | III. Briseis an Achilleus | IV. Phaedra an Hippolytus | V. Oenone an Paris | VI. Hypsipyle an Iason | VII. Dido an Aeneas | VIII. Hermione an Orestes | IX. Deianira an Hercules | X. Ariadne an Theseus | XI. Canace an Macareus | XII. Medea an Iason | XIII. Laodamia an Protesilaus | XIV. Hypermestra an Lynceus | XV. Sappho an Phaon | XVI. Paris an Helena | XVII. Helena an Paris | XVIII. Leander an Hero | XIX. Hero an Leander | XX. Acontius an Cydippe | XXI. Cydippe an Acontius
Buchtitel:
Der genaue Titel des Buches ist nicht überliefert, Ovid selbst nennt sie einmal (in Liebeskunst) kurz »epistulae«. Die Titel Heroides bzw. Briefe der Heroinen haben sich allmählich durchgesetzt, auch wenn strenggenommen nicht alle Briefe von Frauen stammen (sollen), denn die Briefe XVI., XVIII. und XX. sind von Männern geschrieben und Ursache für die Antwortschreiben ihrer Geliebten.
Inhalt
I. Penelope an Ulixes
Fast zwanzig Jahre ist Odysseus (lat.: Ulixes) mittlerweile von Frau und Kind fort – 10 Jahre dauerte der Trojanische Krieg, ebensolange Odysseus’ Irrfahrten. Angesichts der aufdringlichen Freier in ihrem Palast drängt Penelope ihren Mann zur raschen Heimkehr. (Nicht ohne parodistische Züge).
Zu Odysseus und Penelope: siehe Homer Odyssee
Heimlicher Brief von Odysseus an Kirke: siehe Lukianos Wahre Geschichte
II. Phyllis an Demophoon
Der Theseussohn Demophon war auf seiner Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg durch Stürme an die Küste Thrakiens verschlagen worden, wo sich die Königin Phyllis in ihn verliebt hatte. Vor seiner Abfahrt versprach ihr Demophon eine baldige Rückkehr und die Ehe. Nun sind inzwischen Monate vergangen und sie kündigt ihren Selbstmord an. (Demophon kehrte zu spät nach Thrakien zurück)
Zu Demophon/Demophoon: siehe Euripides: Die Herakliden
III. Briseis an Achilleus
Briseis war als Kriegsgefangene des Achilleus Ursache des fatalen Streits zwischen Achilleus und Agamemnon geworden, da der mykenische König seine Chryseis zurück geben musste und dafür Briseis gefordert hatte. Nun schreibt Briseis ihrem Geliebte, dem sie gerne auch nach Phthia gefolgt wäre, heimlich einen Brief, um ihn zu besänftigen und seine vermeindlich verlorene Liebe zurückzugewinnen.
Zum Streit zwischen Agamemnon und Achilleus (um Briseis): siehe Homer Ilias
IV. Phaedra an Hippolytus
Hier ist es ein Brief, mit dem Phaidra, die Frau des Theseus, ihrem Stiefsohn Hippolytos ihre Liebe gesteht.
Zur Geschichte des Hippolytos: siehe Euripides Hippolytos
V. Oenone an Paris
Nachdem Paris wegen eines Unglück verheissenden Traums seiner Mutter Hekabe im Kindesalter ausgesetzt worden war, wurde er von Hirten großgezogen. Die Quellnymphe Oinone verliebte sich in den Jüngling und Paris wurde ihr Geliebter. Doch als sich Paris’ wahre Herkunft herausstellte und er wieder in die Familie des Priamos aufgenommen wurde, wurde er von den Göttern zum Schiedrichter in jenem folgenreichen Schönheitsstreit bestellt – und hatte fortan nur noch Augen für Helena.
Wiederaufnahme des Paris (=Alexandros) in die Familie: siehe Euripides-Fragment Alexandros
Zu Paris und Helena: siehe Briefe XVI. und XVII.
VI. Hypsipyle an Iason
Unterwegs nach Kolchis – auf der Suche nach dem Goldenen Vlies – gelangten die Argonauten auf die Insel Lemnos. Dort hatten die Frauen in einer gemeinsamen Verschwörung ihre Männer getötet und sind den Argonauten sehr zugetan. Hypsipyle, die Tochter des Königs Thoas (den sie heimlich verschont hatte), verliebt sich in Iason und wird von ihm schwanger und bringt zwei Söhne auf die Welt, kann Iason aber von seinem Vorhaben nicht abbringen. Vergeblich warten die Lemnierinnen nun auf die Rückkehr der Argonauten. (Iason hat inzwischen bereits Medea).
Weiter Verlauf der Geschichte Hypsipyles: siehe Euripides-Fragment Hypsipyle
Zu Iason und Medea: siehe Brief XII. und Euripides Medea
VII. Dido an Aeneas
Die Zerstörung Trojas hat Aineias und seine Gefährten zur Suche nach einer neuen Heimat gezwungen. Mit ihren Schiffen waren sie nach Karthago gekommen und von der Herrscherin Dido freundlich aufgenommen worden. Sehr freundlich. Aber Aineias muss weiterziehen, Karthago ist nicht der Ort, der für die ehemaligen Trojaner von den Göttern bestimmt ist. Dido versucht mit diesem Brief ihren Geliebten zum Bleiben zu bewegen – und kündigt ihren Selbstmord für den Fall seiner Abreise an.
Zur Geschichte von Dido und Aineas: siehe Vergil Aeneis
Zur Geschichte des Aeneas/Aineas: siehe Artikel Aineias
VIII. Hermione an Orestes
Dieser Brief ist ein Hilferuf: Hermione fühlt sich in Phthia als Gefangene ihres Mannes Neoptolemos (Phyrros). Ihr Vater Menelaos hat sie mit dem Sohn des Achilleus verheiratet, obwohl sie bereits – vor der Rückkehr ihrer Eltern – auf Wunsch von Helenas Vater Tyndareus Orestes geehelicht hatte. Wegen der Ermordung seiner Mutter wurde Orestes aber von den Erinyen in den Wahnsinn getrieben (bis er von der Tat entsühnt wurde) und Neoptolemos konnte Hermione verschleppen. Nun ruft Hermione ihren Cousin und Ehemann zu Hilfe.
Zu Hermione, Orestes und Neoptolemos: siehe Euripides Andromache
IX. Deianira an Hercules
Deianeira schreibt diesen Brief, als sie glaubt Herakles’ Liebe verloren zu haben. Im Glauben an die (positive) Zauberkraft des Kentaurenblutes von Nessos hat sie das von Herakles geforderte Gewand mit dem "Zaubermittel" getränkt und ihrem Mann geschickt. Noch während sie den Brief verfasst, erhält sie Nachricht von der wahren Wirkung des Zaubermittels und Herakles’ Tod.
Deianeira und der Tod des Herakles: siehe Sophokles Trachinerinnen und Artikel Herakles
X. Ariadne an Theseus
Von der Insel Naxos schreibt Ariadne ihrem geliebten Theseus, der sie dort zurückgelassen hat. Mit allen Gefühlsschwankungen einer Verlassenen.
Zu Ariadne und Theseus: siehe Artikel Theseus
XI. Canace an Macareus
Ursprünglich hatte Aiolos alle seine Kinder miteinander verheiratet – sechs Söhne mit sechs Töchtern. Später galt dieser Inzest als anstößig und die Liebe Kanakes zu ihrem Bruder Makar(eus) wurde zur tragischen Geschichte: Aiolos erfährt der geheimen Liebe seiner Kinder, lässt deren gemeinsames Kind – das Kanake vergeblicht versucht hat abzutreiben – »den Hunden und Vögeln vorwerfen« und zwingt Kanake zum Selbstmord. In ihrem Brief nimmt sie Abschied von Makareus.
Zu Kanake und Makareus: siehe auch Euripides-Fragment Aiolos
XII. Medea an Iason
Nachdem Medea Iason geholfen hatte, in Kolchis das Goldene Vlies zu erlangen, war sie mit ihm von dort geflohen. Doch in Korinth verliebt sich Iason in die Tochter des Königs Kreon, Glauke. Mit dem Brief an ihren Geliebten will Medea Iason umstimmen und zurückgewinnen. Während sie ihn schreibt, hört Medea die Freudenrufe des Hochzeitszuges. Aus Bitten und Flehen werden Wut und Drohungen:
»Wohin mich meine Wut führen wird, werde ich folgen! Vielleicht wird mich die Tat reuen – es reut mich ja auch, einem treulosen Mann geholfen zu haben. Mag der Gott zusehen, der jetzt mein Herz quält! Ich weiß nicht was, doch mein Kopf plant etwas Ungeheures!« — Ovid: Briefe der Heroinen XII, 208ff. (Ü: Hoffmann/Schliebitz/Stocker)
Zu Iason und Medea: siehe Euripides Medea
Zu Iason und Hypsipyle: siehe Brief VI.
XIII. Laodamia an Protesilaus
Frisch verheiratet waren Laodameia und Protesilaos, als dieser in den Kampf gegen Troja gezogen ist. Sie hat schlimme Vorahnungen und böse Träume und schreibt ihm nach Aulis, wo die Flotte der Achäer sich gesammelt hat und wegen der Windstille festgehalten wird.
Zu Laodameia und Protesilaos: siehe Euripides-Fragment Protesilaos
XIV. Hypermestra an Lynceus
Danaos war mit seinen 50 Töchtern vor Aigytos nach Griechenland geflohen, um sie vor der Zwangsheirat mit dessen 50 Söhnen zu bewahren. Aber Aigytos verfolgte sie und setzte die Massenhochzeit durch. Auf Befehl des Vaters ermordeten die Danaiden ihre Ehemänner. Nur Hypermestra verschonte Lynkeus und verhalf ihm zur Flucht. Dafür wurde sie von Danaos ins Gefängnis geworfen und schreibt ihrem Geliebten mit der Bitte um Befreiung oder Tod.
Flucht des Danaos und seinen 50 Töchter: siehe Aischylos Die Schutzflehenden
XV. Sappho an Phaon
Die Dichterin Sappho (um 600 v.Chr.) schreibt ihrem Geliebten Phaon. (Ob dieser Phaon ebenfalls eine historische Gestalt oder eine Metapher ist, ist ungewiss.)
XVI. Paris an Helena
Der Sohn des Königs Priamos ist in Sparta zu Gast bei Menelaos und dessen Frau Helena, als Menelaos gezwungen ist abzureisen. Den günstigen Augenblick nutzt Paris, um Helena – die ihm Aphrodite als Lohn für sein Urteil im Göttinnenstreit zugesprochen hat – zu umgarnen.
Vorgeschichte des Paris: siehe Brief V. und Euripides-Fragment Alexandros
Vorgeschichte Parisurteil: siehe Lukianos Göttergespräche (A20)
XVII. Helena an Paris
Zunächst empört über den aufdringlichen Brief des Gastfreundes antwortet Helena dem Paris gleichfalls in Briefform. Doch der Macht Aphrodites kann sie sich letzlich nicht entziehen – trotz aller Bedenken, die die schrecklichen Folgen vorweg nehmen.
Zu Helena: siehe Artikel Helena
Weiterer Verlauf der Geschichte: siehe Homer Ilias
XVIII. Leander an Hero
Leander und Hero leben beide am Hellespont, sind aber durch ihn getrennt: Hero ist eine Aphroditepriesterin in Sestos, Leander ist in Abydos zu Hause. Da ihre Liebe geheim bleiben muss, durchschwimmt Leander immer nur Nachts die Meerenge. Da Boreas (der Nordwind) dies unmöglich macht, sendet Leander seiner Geliebten einen Brief, den er einem Fischer mitgibt.
XIX. Hero an Leander
Der Antwortbrief auf 18 mit düsteren Vorahnungen Heros. (Tatsächlich ertrank Leander beim Versuch, den Hellepont trotz widriger Winde zu durchschwimmen, nachdem der Wind das geheime Orientierungslicht Heros ausgeblasen hat.) Die beiden Briefe sind die wichtigste Quelle zu diesem in der Antike sehr bekannten Liebespaar, da die griechischen Originale allesamt verloren gegangen sind.
XX. Acontius an Cydippe
Auf Delos hatte sich Acontius in die Athenerin Cydippe verliebt und ihr im Tempel der Artemis (Diana) einen Apfel zu gerollt, auf den er geschrieben hatte: »Bei Diana, ich werde den Acontius heiraten.« Cydippe aber hatte die Inschrift – nach antiker Art – laut vorgelesen und somit einen Schwur abgelegt. Cydippes Vater wollte das freilich nicht gelten lassen und sie mit einem anderen verheiraten, was Artemis durch eine schwere Krankheit Cydippes verhinderte. Acontius schickt Cydippe diesen Brief, um sie an ihren Schwur zu erinnern.
XXI. Cydippe an Acontius
Cydippes Antwort vom Krankenbett an Acontius.
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